Das Vogtland ist nicht nur landschaftlich sondern auch landwirtschaftlich eine Perle. Der erste nachweisbare Feldanbau der Kartoffel in Deutschland fand – nach heutigem Kenntnisstand des Vogtländischen Knollenrings e.V. – im Ort Lottengrün nahe Oelsnitz statt. Bis zum Jahr 1750 waren mehr als 50 Kartoffelanbau-Orte im Vogtland nachweisbar. Kartoffelanbau im „steinreichen“ Vogtland findet auch heute noch statt: Unser Mitglied, die Agrargenossenschaft Tirschendorf eG, ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb, pflanzt hier auf rund 55 Hektar Pflanz-, Speise- und Stärkekartoffeln an. Stephan Kaute, Landwirtschaftsmeister und stellvertretender Pflanzenbauleiter in der seit 25 Jahren bestehenden Genossenschaft, lernte von der Pike auf die Landwirtschaft kennen und weiß wovon er spricht. Er gibt uns einen Einblick in seine aktuelle Arbeit, in seine Sicht auf das Verhältnis Landwirtschaftsbetrieb – Umwelt, Natur und Klima und kann auch über positive Effekte der Corona-Pandemie berichten.
Das Interview mit Stephan Kaute wurde von Ariane Weiß, Geschäftsführerin des Sächsischen Kartoffelverbandes e.V. im Rahmen der Reihe // Mitglieder im Interview // geführt. Die Agrargenossenschaft ist seit 1991 Mitglied im Sächsischen Kartoffelverband e.V.
Im Interview – Stephan Kaute, Agrargenossenschaft Tirschendorf
Was ist Ihr Leitgedanke?
An erster Stelle steht für uns die Wirtschaftlichkeit, gefolgt von Regionalität und Nachhaltigkeit.
Im Pflanzenschutz gilt „so wenig wie möglich und so viel wie unbedingt nötig.“ Und in der täglichen Arbeit heißt es für uns „Geht nicht- gibt´s nicht. Versuch macht klug“.
Wie sehen Sie die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft?
Die derzeitige Diskussion ist aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt, da meist nur der „böse“ Landwirt in der Pauschalkritik steht. Dem Landwirt wird wenig Verständnis für seine Nöte entgegengebracht. Heute muss der Landwirt mit immer mehr Einschränkungen und weniger Mittelauswahl seine Produkte erzeugen. Auf der anderen Seite nehmen die bürokratischen Auflagen weiter zu. Nur ein Beispiel dafür ist die Düngeverordnung.
Gerade jüngeren Menschen fehlt der Bezug zur modernen Landwirtschaft. Ich selbst, stamme nicht aus der Landwirtschaft und kannte früher z.B. nicht eine Kartoffelsorte. Erst durch meine Lehrzeit und die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister habe ich die Einblicke in die verantwortliche Arbeit eines Landwirts bekommen, die erforderlich ist um qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen.
Wie werden bei Ihnen im Betrieb Kartoffeln angebaut?
Wir wirtschaften konventionell, d.h. mit Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln.
Die Vorfrucht vor Kartoffeln ist bei uns der Winterweizen oder die Winter-triticale. Nach der Ernte der Vorfrucht erfolgt die Zwischenfruchtaussaat. Im Frühjahr wird gepflügt und geschleppt. Danach erfolgt die Pflanzung in 3 Arbeitsgängen: 1. Beete formen, 2. Steine aus den Beeten separieren 3. Legen der Kartoffeln. Da wir im Vogtland „steinreich“ sind, ist das Durchsieben der Beete und das Entfernen der Steine aus dem Wuchsraum der Kartoffeln unbedingt nötig. Dies ist ein sehr aufwendiges Verfahren, das die Kartoffeln aber vor Deformationen und Beschädigungen schützt.
Welche Kartoffeln sind Ihr liebstes Kind ?
Die Pflanzkartoffeln, da diese weitaus umfangreicher in der Erzeugung sind und man auf viel mehr Kriterien achten muss, bis am Ende zertifiziertes Pflanzgut beim Kunden ankommt.
Bei den Speisekartoffeln macht sich der demografische Wandel sehr bemerkbar. Es wird deutlich weniger eingekellert und es werden vermehrt kleinere Gebinde gekauft. Eine weitere Produktionsrichtung sind bei uns die Stärkekartoffeln, seit 2 Jahren für die Südstärke. Hier zählt vor allem Quantität.
Was leistet Ihr Betrieb für Umwelt, Natur und Klima?
Die Frage sollte lauten: „Was macht die Natur für den Landwirt?“ Starkregen, Dürreperioden, zu milde Winter und tierische Schäden, ob durch Blattläuse oder Wildschweine, machen es uns schwerer, hochwertige Produkte zu erzeugen.
Landwirtschaft gelingt nur mit der Natur. Seit vielen Jahren legen wir Blühstreifen, Bienenweiden, Bejagungsschneisen, Zwischenfrüchte und Grünstreifen an. Grünstreifen können Erosionen effektiv vorbeugen.
Auch beim Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln gehen wir gezielt und sparsam vor. Außerdem achten wir bei Investitionen auf die Einsparung von Energie und Mitteleinsatz.
Was liegt aktuell im Betrieb an?
Die Aufbereitung und Vermarktung der Kartoffeln ist zum Großteil abgeschlossen.
Anfang Mai ist das Legen von Mais und Kartoffeln noch im vollen Gange.
Mitte Mai erfolgt dann der ersten Schnitt und die Silierung des Grünlandes.
Die Agrargenossenschaft betreibt einen Hofladen. Was ist das Besondere an Ihrem Angebot?
Zum einen bieten wir Kartoffeln, Getreide und andere Futtermittel direkt ab Hof an und zum anderen gibt es unsere Kartoffeln auch in unserer eigenen Landmetzgerei sowie in einer weiteren Filiale.
Auch in unserer hofeigenen, öffentlichen Kantine kommen unsere eigenen Kartoffeln auf die Teller. Ein kleines Erdbeerfeld zum Selbstpflücken wurde vor 2 Jahren als Meisterprojekt angelegt um unser Angebot zu erweitern.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Betrieb?
Negativ wie positiv: positiv in der Hinsicht, dass der Umsatz im Hofladen und der Fleischerei deutlich gestiegen ist und negativ bei der Vermarktung von Speisekartoffeln, die nicht über den Hofladen vermarktet werden können.
Und zum Schluss, die Fragen zum Genuss: Welche ist Ihre Kartoffel-Lieblingssorte und wie essen Sie Kartoffeln am liebsten?
Meine Lieblingssorte ist die Birgit. Sie hat eine lachsrote Schale und ist ein echter Allrounder.
Am liebsten esse ich Kartoffeln als Püree, Pommes oder Wedges.
Die Argrargenossenschaft Tirschendorf eG im Überblick
Betriebsform: Agrargenossenschaft
Betriebsleitung: Wieland Heckel, Landwirt
Als Mitglieder am Betrieb beteiligte Familien: 48
Mitarbeitende: 62, davon Lehrlinge: 6
Ausbildung in den Berufen: Landwirt/in, Tierwirt/in, Fleischfachverkäufer/in, Schlosser
Kulturarten im Anbau: Gerste, Weizen, Braugerste, Triticale, Hafer, Mais, Erbsen, Kartoffeln, Grünroggen
Anbaufläche gesamt / Kartoffelanbaufläche: Der Betrieb verfügt über eine Anbaufläche von 1809 Hektar. Davon werden 55 Hektar mit Kartoffeln bepflanzt, davon 35 Hektar Pflanzkartoffeln, 5 Hektar Speisekartoffeln und 15 Hektar Stärkekartoffeln.
Anbaupause: 4 Jahre (Anbau aller 5 Jahre)
Besonderheiten beim Kartoffelanbau und Lagerung:
- Die wichtigste Besonderheit ist die Höhenlage. Hier oben haben wir eine sogenannte Gesundlage, d.h. der Läuse- und damit der Krankheitsdruck ist bei uns geringer als im Flachland – eine gute Voraussetzung für die Erzeugung von gesunden Pflanzkartoffeln.
- Da wir im Vogtland „steinreich“ sind, müssen wir unsere Kartoffelflächen entsteinen.
- Lagerung aller Kartoffeln in Einzelboxen – sogenannten Paletten
- Lagerung der Kartoffeln bei 3-6°C ohne Kühlhaus und ohne Keimhemmungsmittel
Meilensteine des Kartoffelhofes
1987 Bau des Kartoffellagerhauses
13.12.1991 Gründung der Agrargenossenschaft Tirschendorf mit Landfleischerei
2004 Zertifizierung des Kartoffelanbaus nach „Qualität- und Sicherheitsstandard“ (QS)
2007 Bau der Biogasanlage
2017 Investition in Lager- und Aufbereitungstechnik
2018 Investition in einen neuen Bunkerroder
Weitere Informationen zur Agrargenossenschaft Tirschendorf eG (Anfahrt, Öffnungszeiten, Website) finden Sie auf unserer Ab-Hofverkauf-Karte.