Seit den frühen 90-er Jahren ist der Gedanke der Regionalität und Nachhaltigkeit die Antriebsfeder für die Arbeit und die Entwicklung des Kartoffellagerhauses Falkenhain. Kühlläger wurden gebaut, um heimische Kartoffeln aus dem Vertragsanbau sicher und ohne chemische Keimhemmungsmittel bis zum Anschluss an die neue Ernte zu lagern und in guter Qualität in der Region anbieten zu können. Dadurch können Zufuhren von Kartoffeln aus Ägypten, Israel und Spanien über Tausende Kilometer reduziert werden. Gut für die Kartoffeln, die Region und die Umwelt – gerade jetzt bei knapper werdenden Energieresourcen.
Auch bei der Reduzierung der Verpackung und der Verbesserung der Recycelbarkeit warteten die Falkenhainer nicht auf Auflagen, sondern gehen mit Mehrwegsystemen und Monomaterialverpackungen neue, nachhaltige Wege.
Das Interview mit Jürgen Klamt wurde von Ariane Weiß, Geschäftsführerin des Sächsischen Kartoffelverbandes e.V. im Rahmen der Reihe // Mitglieder im Interview // geführt. Das Kartoffellagerhaus Falkenhain GmbH & Co.KG ist seit 1991 Mitglied im Sächsischen Kartoffelverband e.V.
Im Interview – Jürgen Klamt, Geschäftsführer des Kartoffellagerhauses Falkenhain GmbH & Co. KG
Was ist Ihr Leitgedanke?
Unser Leitgedanke ist in erster Linie die Regionalität und die Nachhaltigkeit. Das spiegelt sich in unserer täglichen Arbeit und auch in der Zusammenarbeit mit den regionalen Landwirten wieder. Wir versuchen, unsere Landwirte zum gegenseitigen Vorteil zu stärken. Von Anfang an sind wir bestrebt, die Zufuhr und den Import von Kartoffeln aus allen Regionen Deutschlands und Europas oder von noch weiter weg zu reduzieren. Unser Ziel ist, möglichst lange regionale, heimische Kartoffeln zur Verfügung zu haben, abzupacken und ganzjährig hier vermarkten. Dafür haben wir in den letzten Jahren große Lagerkapazitäten mit Kühlung geschaffen, in denen wir unsere Kartoffeln sehr lange bis zum Anschluss an die neuen deutschen Frühkartoffeln lagern können und gemeinsam mit unseren Handelspartnern dieses Konzept in der Vermarktung durchsetzen. Dadurch müssen nicht schon im März/April Frühkartoffeln aus dem Mittelmeerraum oder im Mai aus Spanien zugeführt werden.
Was ist das Besondere an Ihrem Betrieb?
Ja vielleicht ist es das, dass wir besonders diesen Gedanken der Regionalität verfolgen. Unsere Vertragsanbauer liegen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Südbrandenburg – quasi um unseren Betrieb herum. Wir wollen nicht Kartoffeln aus Niedersachsen abpacken und sie dann nach Bayern verkaufen, denn das halten wir für keine zukunfts- und tragfähige Philosophie.
Was sind die größten täglichen Herausforderungen?
Die Herausforderung, die uns das Wetter beschert, weil die Kartoffeln auf dem freien Feld wachsen, können wir nicht ändern sondern müssen damit umgehen.
Daher sind für uns die größten Herausforderungen, unsere Philosophie der Regionalität beim Lebensmitteleinzelhandel umzusetzen. Zum Beispiel sind unsere Regionalmarken nicht immer gelistet, obwohl sie schon lange am Markt etabliert sind. Aber wir arbeiten daran und finden beim Handel eigentlich offene Ohren. Das Problem ist oft nicht die Grundidee und die Grundausrichtung des Lebensmitteleinzelhandels, sondern die Umsetzung im Lebensmitteleinzelhandel aufgrund seiner zentralisierten Struktur.
Wie alle Unternehmen müssen wir uns in diesem Moment gewaltig Gedanken machen, wie wir die Preissteigerungen bei Energie und Kraftstoffen kompensieren bzw. Energie und Kraftstoffe einsparen. In diesen angespannten Zeiten kann es doch nicht richtig sein, wenn Kartoffeln aus Israel und Ägypten mit dem Schiff in die Häfen in Slowenien oder Rotterdam und dann mit dem LKW über 1.000 Kilometer zu uns transportiert werden, um sie zu verpacken und zum Lebensmitteleinzelhandel zu bringen, obwohl es genügend Kartoffeln in Deutschland gibt. Kartoffeln aus Südspanien werden 3.500 Kilometer mit dem Lkw, der ungefähr 24 Tonnen Kartoffeln fast, quer durch Europa transportiert. Eigentlich gibt es dafür keinen Grund solange wir eigene Kartoffeln aus eigener Produktion im Lager haben. Dafür arbeiten wir. Das umzusetzen, sind die größten Herausforderungen. Das ist nicht so einfach.
Wie werden bei Ihnen im Betrieb Kartoffeln verwendet?
Bei uns werden Kartoffeln und Zwiebeln sortiert, in Kleinpackungen verpackt und an den Lebensmitteleinzelhandel geliefert. Wir können 30.000 Tonnen Kartoffeln im Kistenkühllager über den Winter sicher lagern. Da sind wir im Verhältnis zu unserer Gesamtabpackmenge sehr gut aufgestellt.
Auf der anderen Seite brauchen wir natürlich auch eine ganze Menge Energie für die Kühlung, um im April und Mai tatsächlich noch Kartoffeln mit guter Qualität zu haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf erneuerbare Energien setzen und mit grünem Strom arbeiten.
Welchen Einfluss haben die aktuellen Entwicklungen auf die Kartoffelverfügbarkeit?
Die Kartoffel konkurriert zunehmend mit anderen Fruchtarten, bei denen die Erzeugerpreise zzt. aufgrund der Ukrainekrise durch die Decke gehen, um Anbauflächen. Aber unsere Vertragsanbauer bauen 2022 Kartoffeln wie gewohnt an und wir haben genügend Lagerkapazitäten. An Menge wird es also, so das Wetter mitspielt, nicht fehlen. Aber es wird Einfluss auf die Preise haben.
Die Preise werden steigen – Preise müssen steigen! Die Kosten für Energie, Rohstoffe und Verpackungsmaterial steigen exorbitant. Wir brauchen auskömmliche Preise für die Lebensmittel, die wir produzieren und so auch für Kartoffeln. Ansonsten werden Kartoffelerzeuger auf andere Alternativen setzen. Wie jedes andere Unternehmen müssen auch die Landwirte Geld verdienen. Landwirte sind nicht verantwortlich für billige Lebensmittel. Wenn der Lebensmitteleinzelhandel regionale und nachhaltig produzierte Lebensmittel will und nicht Ware, die quer durch Europa gefahren wird, dann muss er die preisliche Situation in der Region beachten. Wenn irgendwo weit weg Überhänge und Übermengen entstehen, die dann billig angeboten werden, dann ist das nicht regional, nicht nachhaltig, dann ist es nur billig. Vielleicht werden die enorm hohen Transportkosten das jetzt etwas regulieren. Vernünftige Strukturen – und dazu gehören Regionalität und Nachhaltigkeit – werden auf lange Sicht immer gewinnen, auch wenn das kurzfristig manchmal etwas unbequem ist.
Die Nachfrage nach Bio Ware ist leicht auf etwa 10% angestiegen. Auch da sind wir gut aufgestellt. Wir haben einen umfangreichen Bioanbau in unserer Region. Bei uns werden die Bio-Kartoffeln dann separat gelagert, aufbereitet und verpackt. Ich bin ein absoluter Verfechter, den Bio-Gedanken nicht nur auf die Produktion zu reduzieren, sondern die gesamte Ökobilanz einzubeziehen: wo kommt die Kartoffel her und wie weit wurde sie transportiert. Deshalb konzentriert sich unser Biokartoffelanbau auf die Region unmittelbar um unseren Betrieb.
Wie sehen Sie die gesellschaftliche Diskussion über die Land- und Ernährungswirtschaft?
Die Diskussionen müssen auf einem sachlichen, fachlichen Fundament abgestellt und mit Augenmaß geführt werden. Nicht alles was Bio ist, ist gut und nicht alles, was konventionelle Landwirtschaft ist, ist schlecht. Die Landwirtschaft ist nicht der Buhmann für die Umweltbelastung und sie kann nicht dafür verantwortlich sein, dass wir in Deutschland billige Lebensmittel haben.
Was tut Ihr Betrieb für Umwelt, Natur und Klima?
Wir haben eine 400 Kilowatt-Peak große Photovoltaikanlage, die einen großen Teil unseres Energiebedarfs deckt. Natürlich sind wir da auf die Sonne angewiesen. Wenn die Sonne nicht scheint, haben wir ein Problem. Derzeit überlegen wir, noch andere erneuerbare Energien zu erschließen. Vielleicht ändern sich die Bedingungen und wir bekommen die Möglichkeit, noch ein Windrad zu bauen. Windrad und Solarenergie würden sich sehr gut ergänzen, weil meistens Wind ist, wenn die Sonne nicht scheint – auch im Winterhalbjahr.
Wir versuchen Verpackung einzusparen, wo wir nur können und der Lebensmitteleinzelhandel das auch gestattet – z.B. Umverpackungen. Wir setzen auf sogenannte Monoverpackung. Diese bestehen nur aus einem Material, zum Beispiel aus Polyethylen und nicht aus Verbundfolien oder anderem nicht trenn- und recycelbaren Materialienmix. Monoverpackungen können vollständig recycelt werden. So verschließen wir Klippnetze z.B. nicht mehr mit einem Drahtklipp, sondern verschweißen sie mit Ultraschall. Dadurch bleibt es bei einem Material. Da sind wir in Deutschland führend. Auch Beutel mit bunter Banderole bestehen bei uns nur aus einem Material – auch wenn die Verarbeitung für uns schwieriger ist.
Bei den Transportverpackungen setzen wir auf Mehrwegbehälter. Damit sparen wir Unmengen an nur einmal verwendbaren Transportverpackungen aus Pappe ein. Hier gibt es noch große Reserven, die Entscheidungen diesbezüglich, werden aber nicht in unserer Firma getroffen.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Betrieb?
Da wir den Lebensmitteleinzelhandel beliefern, waren wir von den Lockdown-Maßnahmen mit Schließungen von Gastronomie und Außer-Haus-Verpflegungen wenig betroffen. Im Betrieb selbst sind wir mit unserem betrieblichen Hygienekonzept bisher ganz gut durchgekommen.
Was passiert aktuell in Ihrem Betrieb?
Zurzeit planen wir die Modernisierung und Erhaltung unserer Anlagen. Die Abpackung läuft ruhig und planmäßig. Vor Ostern ist dann wieder mit einem Ansturm zu rechnen.
Wir hoffen sehr, dass sich die ganze Lage wieder normalisiert und uns nicht immer mehr Probleme auf den Tisch kommen. Zurzeit ist es schwierig, Ersatzteile und Monteure zu bekommen, sodass nötige Reparaturen nicht durchgeführt werden können. Auch Lieferzeiten für neue Fahrzeuge sind sehr lang. Aber mit diesen Problemen haben ja alle zu kämpfen.
Wenig Verständnis haben wir dafür, dass wir bei der Planung neuer Bauvorhaben zur Erweiterung und Modernisierung der Produktion von den Behörden des Landkreis Leipzig regelrecht behindert werden.
Warum betreibt das Kartoffellagerhaus keinen Hofladen?
Unsere Kernaufgabe ist die Abpackung und nicht der Einzelhandel. Wir haben in Falkenhain einen Supermarkt, der auch unsere Kartoffeln und Zwiebeln anbietet.
Und zum Schluss, die Fragen zum Genuss: Welche ist Ihre Kartoffel-Lieblingssorte und wie essen Sie Kartoffeln am liebsten?
Meine Lieblingssorte ist „Allians“, die ich am liebsten als Salzkartoffel oder als Rosmarinkartoffeln genieße.
Das Kartoffellagerhaus Falkenhain GmbH & Co. KG im Überblick:
Geschäftsführung: Jürgen Klamt, Sebastian Klamt
Mitarbeitende: 80
Ausbildung in den Berufen:
- Mechatroniker für Kältetechnik
Kartoffelanbaufläche der Vertragspartner: 1200 ha
Meilensteine
- 1994 Gründung
- 1996-2000 Modernisierung Gebäude und Verpackungsanlagen
- 2004 Umbau der ersten Haufenlager in Kistenkühllager
- 2012 Neubau erstes Kistenkühllager
- 2016 Neubau Versandhalle
- 2019 Neubau zweites Kistenkühllager und Lager für Zwiebeln mit kontrollierter Atmosphäre (Ultra-Low-Oxygen)