Auf über 200 Hektar Anbaufläche produziert Landwirtin Andrea Lienig auf ihrem Kartoffelhof Speise- und Pflanzkartoffeln auf konventionelle Weise. 2012 übernahm sie den Familienbetrieb inklusive Hofladen mit regionalen Produkten und versucht seit dem einen vernünftigen Weg zwischen Natur und Landwirtschaft zu gehen. Neben Pflanzenschutz zählt dabei für sie auch die Unterstützung der heimischen Flora und Fauna. Die Auszeichnung des NABU als Schwalbenbetrieb und die vorhandene Streuobst- und Blühwiese machen sichtbar, was ihr am Herzen liegt: Gemeinsam mit der Natur zu arbeiten und das Verständnis für die Landwirtschaft seitens der Verbraucher zu stärken. Neben umfassender Öffentlichkeitsarbeit richtet sie jährlich ein Hoffest aus und empfängt regelmäßig zur Erntezeit zahlreiche Grundschüler auf dem Feld und auf dem Hof. Seit 2014 engagiert sich die Inhaberin des Kartoffelhofes als Vorstandsmitglied im Sächsischen Landesbauerverband.
Das Interview mit Landwirtin Andrea Lienig wurde von Ariane Weiß, Geschäftsführerin des Sächsischen Kartoffelverbandes e.V. geführt und eröffnet die Reihe // Mitglieder im Interview//. Der Landwirtschaftsbetrieb Lienig ist bereits seit 1991 Mitglied im Sächsischen Kartoffelverband e.V.
Im Interview – Andrea Lienig, Landwirtschaftsbetrieb Lienig
Wollten Sie schon als Kind Bäuerin werden?
Niemals.
Was ist Ihre oberste Divise/ Ihr Leitgedanke?
Den Hof möchte ich erfolgreich fortführen, langfristig Arbeitsplätze sichern, die Direktvermarktung ausbauen und mit Schulprojekten den Nachwuchs an das Thema Landwirtschaft heranführen.
Wie sehen Sie die gesellschaftliche Diskussion über die Landwirtschaft?
Als Vorstandsmitglied im Sächsischen Landesbauernverband (SLB) will ich die Interessen der Mitglieder des Bauernverbandes würdig vertreten und meinen Beitrag dazu leisten, die Rahmenbedingungen für die Arbeit positiv zu beeinflussen, für eine bessere Wahrnehmung der Landwirtschaft in der Gesellschaft zu sorgen. Ich will Vermittler zwischen Landwirtschaft und Verbraucher sein. Öffentlichkeitsarbeit und Direktvermarktung sind daher für mich wichtige Themen. Es ist für mich eine Herzensangelegenheit, mehr Verständnis für die Landwirtschaft seitens der Verbraucher zu erzielen, mit Tagen des offenen Hofes offensiv auf die Leute zuzugehen und Vorurteile abzubauen.
Wie werden bei Ihnen im Betrieb Kartoffeln angebaut?
Unser Hof produziert Kartoffeln auf konventionelle Weise, wir sind kein Ökobetrieb. Aber wir verstehen Pflanzenschutz als genau das: Wir schützen die Pflanzen vor Krankheiten, Pilzen und Schädlingen. Unser Anspruch ist es, gute Lebensmittel zu produzieren. Schließlich essen wir unsere Produkte auch selbst.
Wer Kartoffeln anbaut, muss mit Höhen und Tiefen zurechtkommen. Mal ist es die Trockenheit, mal die Nässe und mal sind es die Blattläuse, die den Anbau negativ beeinflussen. 2020 war die Ernte besser als in den beiden zurückliegenden Jahren.
Welche Kartoffeln sind Ihr liebstes Kind – der Speise- oder der Pflanzkartoffeln?
Beide sind für uns wichtige Standbeine, die jeweils spezielles Wissen und Fingerspitzengefühl abverlangen. Aber insbesondere die Pflanzkartoffeln fordern uns jedes Jahr aufs Neue heraus – da bleibt es immer spannend.
Was tust Du/ tut der Betrieb für Umwelt, Natur und Klima?
Wir sind ein konventioneller Landwirtschaftsbetrieb, versuchen aber einen vernünftigen Weg zu finden zwischen Natur und Landwirtschaft. Dazu zählt neben dem Pflanzenschutz eben auch die Unterstützung der heimischen Flora und Fauna. Nur mit der Natur gemeinsam kommen wir voran. Jeder kann etwas tun, egal ob kleine oder große Schritte. Unser Hof wurde erst kürzlich als Schwalbenbetrieb vom NABU ausgezeichnet. Wir haben eine Streuobstwiese und eine Blühwiese, über die sich die Insekten sehr freuen.
Alles ist aktuell tief verschneit. Wird im Betrieb gearbeitet?
Winterschlaf halten nur die Kartoffeln. Wir haben alle Hände voll zu tun. Die Pflanzkartoffeln müssen aufbereitet werden. Das heißt, sie werden von Beimengungen befreit und in die gewünschten Größensortierungen gebracht. Dann stehen sie bereit für die Auslieferung im März. Außerdem bereiten wir die Vorkeimkisten vor, die wir Ende Februar mit Kartoffeln befüllen und hell und warm stellen.
Ein Teil der fertigen Pflanzkartoffeln werden für den Gartenbedarf in 2,5-, 5-, 10- oder 25-kg-Beutel abgepackt. Ab Anfang März können sich Kleingärtner im Hofladen mit Pflanzkartoffeln eindecken. In Leipzig beraten wir die Kleingärtner am 26.3. auf dem Wochenmarkt in der Innenstadt.
Sie sind nicht nur Landwirtin, sondern führen zudem einen Hofladen. Was ist das Besondere an Ihrem Hofladen?
Regionale und lokale Produkte sind mittlerweile in aller Munde. Wir haben unseren Hofladen bereits 1996 also schon vor 25 Jahren eröffnet. Am Anfang war das Sortiment noch kleiner, aber es wuchs von Jahr zu Jahr. Heute bieten wir regionale Erzeugnisse aus Sachsen, aber auch aus der Nachbarschaft an und können unsere Kunden fachkundig beraten. Bei uns bekommt man Milchprodukte aus Bennewitz, Wurst und tiefgekühlte Fleischprodukte aus Kupsal, Marmelade aus Zwickau, Nudeln aus Radefeld, Bier und Fassbrause aus Landsberg, Zwiebeln aus Glesien, Senf aus Hartha bei Döbeln, Konserven aus Hartmannsdorf und natürlich Kartoffeln aus unserem eigenen Anbau. Den Kartoffelschnaps beziehen wir aus dem erzgebirgischen Lauterbach, einem Ortsteil von Marienberg, da uns das Brennrecht fehlt. Saisonales Obst und Gemüse aus der Region bieten wir ebenfalls an.
Unsere Kunden im Hofladen sind uns sehr wichtig. Das sind Menschen, die uns ihre Wünsche mitteilen und mit dafür sorgen, dass sich unser Sortiment erweitert. Viele kellern Kartoffeln für den Winter ein. Andere holen sich regelmäßig ihre Kartoffeln in kleineren Abpackungen. Oder sie versorgen ihre Tiere zu Hause mit den Futtermitteln, von denen wir das meiste selbst anbauen. Andere holen sich Sonnenblumenkerne als Winterfutter für die einheimischen Vögel.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Betrieb?
Wir veranstalten jedes Jahr ein Hoffest, doch leider konnte es im letzten Jahr wegen der Coronapandemie nicht stattfinden. Das war sehr schade.
Jetzt sind viele im Homeoffice. Die Gastronomie ist geschlossen. Die Außerhaus- und Gemeinschaftsverpflegung sind stark eingeschränkt. Alle Veranstaltungen sind ausgefallen. Zu Hause wird zwar wieder mehr mit Kartoffeln gekocht, aber längst nicht mit den Mengen, die sonst in der Gastronomie gebraucht werden. Auch werden weniger Pommes gebraucht. All das ist auch hier bei uns spürbar.
Und zum Schluss, die Fragen zum Genuss: Welche ist Ihre Kartoffel-Lieblingssorte und wie essen Sie Kartoffeln am liebsten?
Meine Lieblingssorte ist die rotschalige Laura und am liebsten esse ich die Kartoffeln zubereitet als als Kartoffelbrei mit Milch, Muskat und etwas Butter.
Der Landwirtschaftsbetrieb Lienig im Überblick:
Betriebsleitung: Andrea Lienig, Landwirtin
Mitarbeitende: 18
Ausbildung in den Berufen: Landwirt/in, Fachpraktiker/in Landwirtschaft
Kulturarten im Anbau: Gerste, Weizen, Roggen, Braugerste, Triticale, Hafer, Sonnenblumen, Mais, Erbsen, Zuckerrüben, Kartoffeln
Anbaufläche gesamt / Kartoffelanbaufläche: Der Kartoffelhof verfügt über eine Anbaufläche von 550 Hektar. Davon werden 200 Hektar mit Kartoffeln bepflanzt. Auf 70 bis 80 Hektar werden Speisekartoffeln angebaut und der Rest der Kartoffelfläche steht den Pflanzkartoffeln zur Verfügung.
Anbaupause: 4 Jahre (Anbau unter Einbeziehung von Tauschflächen aller 4-5 Jahre)
Besonderheiten beim Kartoffelanbau und Lagerung:
- Anbau von Frühkartoffeln (Ernte vor dem 10. August)
- Vorkeimen der Frühkartoffeln in Vorkeimkisten
- Beregnungsmöglichkeit auf etwa 90% der Kartoffelflächen
- Schonende Ernte durch Steintrennung mit „Air-Sep“- Verfahren
- Lagerung aller Kartoffeln in Einzelboxen – sogenannten Paletten
- Lagerung der Kartoffeln bei 3°C ohne Keimhemmungsmittel
- Anwärmen von Speisekartoffeln vor der Sortierung für eine schonende Aufbereitung
Meilensteine des Kartoffelhofes
1.8.1990 Gründung des Landwirtschaftsbetriebes Lienig
1995 Bau der 1. Halle
1996 Ausbau des Hofladens
2000 Erste Beregnungsanlagen
2004 Zertifizierung des Kartoffelanbaus nach „Qualitäts- und Sicherheitsstandard“ (QS)
2006 Bau der 2. Halle mit technischer Kühlung
2012 Übernahme des Familienbetriebes durch Andrea Lienig
2013 Standort des Landeserntedankfestes
2014 Wahl von Andrea Lienig in den Vorstand des Sächsischen Landesbauernverbandes
Das Interview mit Andrea Lienig führte Ariane Weiß, Geschäftsführerin Sächsischer Kartoffelverband e.V. im Februar 2021.