Kraut- und Knollenfäule ist die größte Bedrohung für Kartoffeln. Diese Krankheit wird vom aggressiven Pilz Phytophthora infestans verursacht. In der EU entsteht dadurch jedes Jahr ein wirtschaftlicher Schaden von etwa 900 Millionen Euro. Der Pilz befällt sowohl die Blätter als auch die Knollen und kann ganze Ernten innerhalb von 1-2 Wochen vernichten – wie es im 19. Jahrhundert in Irland zu Hungersnöten führte.
Der Pilz ist sehr anpassungsfähig und entwickelt schnell Resistenzen gegen Fungizide sowie gegen eingebaute Resistenzgene in den Kartoffelsorten. Dadurch reduzieren sich die Optionen für ein wirkungsvolles Phytophthora-Management immer mehr, insbesondere wenn der Wegfall von wirksamen Werkzeugen zur Gesunderhaltung der Kartoffelbestände nicht adäquat ausgeglichen werden kann. Besonders bei feucht-warmem Wetter, wie wir es auch in diesem Jahr erleben, breitet sich der Pilz besonders gut aus. In den letzten Jahren hat er vor allem in Dänemark und den Niederlanden erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursacht.
Hoher Krankheitsdruck, die wiederholte Anwendung einer bereits stark eingeschränkten Auswahl von Pflanzenschutzmittel verbunden mit reduzierten Aufwandsmengen, resultierten in einer erzwungenen Vernachlässigung des notwendigen Resistenzmanagements. Dies hat dazu beigetragen, dass viele Fungizide gegen Phytophthora infestans ihre Wirkung verloren haben. In vier von elf wichtigsten Wirkmechanismen sind mittlerweile Resistenzen nachgewiesen worden. Fungizide mit einem Multisite-Wirkungsmodus stehen den europäischen Kartoffelanbauern nicht mehr zur Verfügung. Gleichzeitig haben auch einige Kartoffelsorten ihre Resistenzeigenschaften verloren, wodurch ein weiterer wesentlicher Eckpfeiler des integrierten Pflanzenbaus gefährdet ist.
Die Anzahl der wirksamen Bekämpfungsmethoden nimmt ab, und die verbleibenden Mittel stehen unter erhöhtem Druck. Ohne aktive Gegenmaßnahmen werden die aktuellen Strategien des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) bald nicht mehr ausreichen, um die Kartoffelproduktion in Europa zu sichern – egal ob konventionell, ökologisch oder im Hausgarten.
Um die Kartoffelbestände effektiv zu schützen, müssen alle verfügbaren Maßnahmen des Integrierten Pflanzenschutzes (IPS) kombiniert werden. Dazu gehören vorbeugende phytosanitäre Maßnahmen, wirksame Fungizide und Kartoffelsorten mit robusten Resistenzeigenschaften. Nur eine abgestimmte Kombination dieser Elemente kann die Pflanzen schützen und gleichzeitig die Resistenzeigenschaften und fungiziden Wirkmechanismen erhalten.
Bereits jetzt zeigt sich, dass die Bekämpfung der Kraut- und Knollenfäule auch in der Anbausaison 2024 eine große Herausforderung für die europäischen Landwirte darstellt. Es werden dringend sowohl kurzfristige als auch langfristige Lösungen in Forschung und Anwendung benötigt. Ein europäischer Aktionsplan muss nationale Aktivitäten und Maßnahmen effizient koordinieren. Es ist entscheidend, den Ernst der Lage und die Notwendigkeit koordinierter Maßnahmen nicht nur innerhalb der Kartoffelbranche, sondern auch gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zu kommunizieren. Ohne geeignete politische Maßnahmen und Ressourcen wird es nicht gelingen, das Problem mit Phytophthora infestans in den Griff zu bekommen.
Kurzfristige Maßnahmen:
- Beste landwirtschaftliche Praktiken fördern:
- Verwendung von Fruchtfolge und Kontrolle von Phytophthora-Infektionsquellen wie Kartoffeldurchwuchs und Abfallhaufen.
- Anpassung der Fungizide an die Kulturstadien, den Krankheitsdruck und die Wetterbedingungen.
- Austausch und Harmonisierung:
- Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Selektion und Verbreitung resistenter Phytophthora-Stämme.
- Harmonisierung der Bekämpfungsmaßnahmen innerhalb der EU.
Mittelfristige Maßnahmen:
- Überwachung der Phytophthora infestans Populationen:
- Einrichtung eines Überwachungsprogramms inklusive Feedback-System für Kartoffelzüchter.
- Entwicklung eines koordinierten Ansatzes für eine integrierte Pflanzenschutzstrategie.
- Neue Lösungen entwickeln:
- Förderung der Züchtung resistenter Kartoffelsorten mittels Markergestützter Züchtung (MAS) und neuen genomischen Züchtungstechniken (NGTs).
Verpflichtungen der Interessengruppen:
- Partnerschaft und Zusammenarbeit:
- Einbindung von Landwirten, Wissenschaftlern und der Industrie in die Zusammenarbeit mit EU-Behörden.
- Sicherstellung, dass den Landwirten weiterhin wirksame Pflanzenschutzmittel und neue Kartoffelsorten zur Verfügung stehen.
- Information und Sensibilisierung:
- Aufklärung über Phytophthora infestans und dessen Resistenzverhalten.
- Vermittlung von integrierten Pflanzenschutzmaßnahmen an Landwirte und Berater.
Politische Maßnahmen:
- Kommunikation und Unterstützung:
- Förderung der Bedeutung von Kartoffeln in der Ernährung und Sicherung der Produktion.
- Einrichtung eines Frühwarnsystems zur Verbreitung der Kraut- und Knollenfäule und möglicher Fungizidresistenzen.
- Unterstützung der Verfügbarkeit und Neuregistrierung von Fungiziden.
- Förderung der Forschung und Anwendung neuer Erkenntnisse in der Praxis.
Zusammengefasst zielt der Aktionsplan darauf ab, die Kraut- und Knollenfäule durch präventive Maßnahmen, koordinierte Überwachung, Züchtung neuer Sorten und Entwicklung neuer Pflanzenschutzstrategien sowie durch enge Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen allen Beteiligten wirksam zu bekämpfen.
Den originalen EU-Aktionsplan gegen Kraut- und Knollenfäule in deutsch finden Sie hier (PDF)
Den originalen EU-Aktionsplan gegen Kraut- und Knollenfäule in englisch finden Sie hier (PDF)